„Gott nimmt uns an, wie wir sind“

"Obdachlosigkeit und Tod" war am 25. Oktober 2022 Thema einer berührenden Veranstaltung am St. Barbara Friedhof. Die Seelsorger*innen Claudia Kapeller und Helmut Eder berichteten von ihrer Arbeit. Damit fand die Reihe "Blicke auf den Tod 2022" ihren Abschluss.

62 Menschen wurden in Linz innerhalb des letzten Jahres mit einem sogenannten "Fürsorgebegräbnis" bestattet. Dabei übernimmt die öffentliche Hand die Kosten der Bestattung, weil es keine Person gibt, die bereit ist, die Kosten für die Abschiedsfeier und das Grab zu übernehmen. 

Zu den Aufgaben der neuen Linzer Obdachlosenseelsorgerin Claudia Kapeller gehört es, Abschiedsfeiern für obdachlose Menschen zu gestalten. Sie und ihr Vorgänger Helmut Eder berichteten bei der Veranstaltung mit dem Titel "Ein Obdach für die Seele" davon. Im Raum waren die 62 verstorbenen Menschen in der gestalteten Mitte symbolisch präsent. 

Eine würdevolle Abschiedsfeier ist oft für Freund*innen und Bekannte verstorbener obdachloser Menschen sehr wichtig. Nur, wenn man informiert ist, wann das Begräbnis stattfindet, kann man dabei sein am "letzten Weg" eines Menschen. "Das wird sehr wertgeschätzt und angenommen", erzählt Claudia Kapeller. 

"In Würde leben und in Würde sterben können wünschen wir uns alle", sagt die Obdachlosenseelsorgerin. Um Würde real werden zu lassen, brauche es engagierte Menschen und hilfreiche Einrichtungen- Tagesstrukturen und Notschlafstellen ermöglichen es obdachlosen Menschen, Grundbedürfnisse zu stillen: Wärme, Waschen, Kleidung, Lebensmittel, ein Ort zum sicheren Schlafen. Streetworker*innen sind vor Ort aktiv. Die Arbeitsangebote bei der Strassenzeitung "Kupfermuckn" und Trödlerladen helfen Menschen in Armut, sich ein paar Euro verdienen zu können. Und es braucht, so Claudia Kapeller "Menschen, die zuhören, die wertschätzen, ein Gegenüber, wo man auf Augenhöhe sich austauschen kann".

Johannes, ein Redakteur in der Kupfermuckn, las einen Text vor, der drastisch deutlich machte, dass in Österreich, einem der reichsten Länder der Welt, das Grundrecht auf medizinische Versorgung nicht für alle verwirklicht ist. Nur wer krankenversichert ist, kann zum Arzt oder ins Krankenhaus gehen. Sonst gibt es nur das Helpmobil der Caritas und die allernotwendigste Versorgung in der Notaufnahme.  Viele obdachlose Menschen sterben früh. Armut senkt die Lebenserwartung drastisch. 

Helmut Eder erzählte von seinen Erfahrungen mit Abschiedsfeiern. Für manche An- und Zugehörige ist es bedeutsam, selbst die Urne tragen zu können. Unterschiedliche Ausdrucksformen von Trauer können Platz haben und er hat durchaus auch schon Unkonventionelles erlebt. So prostete ein junger Mann der Urne seines engen Freudes zu: "Wir sehen uns im Himmel". In den sechs Jahren seiner Tätigkeit hat er erlebt, dass er als Seelsorger immer wieder als letzter Rettungsanker wahrgenommen wurde: "Wenn ich sterbe, dann machst Du das, Helmut". Helmut Eder tut das auch und leitet das Begräbnis - wenn er rechtszeitig verständigt wird, weil der Verstorbene eine Notiz hinterlassen hat.

Bei machen Begräbnissen waren nur Helmut Eder und Sr. Tarcisia Valtingoier vom Vinzenzstüberl der Barmherzigen Schwestern in Linz anwesend. "Da wird theologisch deutlich, was Stellvertretung bedeutet, wenn man dann andere Menschen symbolisch mit hereinnimmt", erklärt der Seelsorger. Es sei nicht einfach, doch man ist nicht allein, weil "Gott trägt". Als Seelsorger ist er auch selbst berührt in solchen Momenten und das darf auch sichtbar werden.

Der Abend fand seinen Abschluss mit einem Ritual an der Begräbnisstelle für „Fürsorgebegräbnisse“ im Westteil des St. Barbara Friedhofs. Obwohl hier seit ca. einem Jahrzehnt keine neuen Begräbnisse stattfinden (diese beauftragt die Stadt Linz im Urnenhain, der zur LinzAG gehört), erhält der St. Barbara Friedhof diese Grabstelle. Die Teilnehmenden erleuchteten mit brennenden Kerzen diesen besonderen Ort.

 

Text: Andrea Mayer-Edoloeyi
Fotos: Clemens Frauscher / St. Barbara Friedhof