Bedrückend und berührend: Lesung und Vortrag zu musikalischer Gewalt im KZ

Am Montag, 26. Juni 2023 war die große Abschiedshalle am St. Barbara Friedhof trotz des schweren Themas gut besucht. Die Künstler:innen Paul Schuberth und Elisa Lapan machten deutlich, wie Musik Teil des nationalsozialistischen Terrors wurde.

Fokus auf musikalische Gewalt

Da das Thema "Musik im Konzentrationslager" insgesamt ein sehr breitgefächertes ist, legten Elisa Lapan und Paul Schuberth ihren Fokus auf den wenig bekannten Aspekt der "musikalischen Gewalt" (ein Begriff der Historikerin Juliane Brauer), also auf die Verwandlung von Musik in ein Mittel des psychischen wie physischen Terrors.

Paul Schuberth schloss 2019 sein Studium auf der Anton Bruckner Privatuniversität mit einer Arbeit zu diesem Thema ab und stützte sich dabei auf Arbeiten von z.B. Guido Fackler, Milan Kuna, Juliane Brauer, Gabriele Knapp, Annkathrin Dahm, Shirly Gilbert. Diese Arbeit bildet die Grundlage dieses Vortrages mit Musik.

Elisa Lapan und Paul Schuberth versuchten zu veranschaulichen, wie etwa Zwangssingen als Disziplinierungs- und Bestrafungsinstrument fungierte, das einerseits den Marschrhythmus garantieren sollte, und andererseits, da es oft stundenlang andauern musste, den Körper der Geschundenen zusätzlich angriff; wie gezielt bestimmte Häftlingsgruppen mit Musik, die mit erschreckender sadistischer Fantasie "passend" ausgewählt wurde, gedemütigt und gequält wurden; welche Funktion die sogenannten Lagerorchester innehatten, in denen die musikalischen Zwangsarbeiter:innen tätig sein mussten.

Weiters wurde darüber berichtet, dass laute Musik auch dazu taugte, Leidensschreie oder Todesschüsse zu übertönen. Unfassbar bleiben muss das Grauen, dass Musik dazu eingesetzt wurde, bei neu ankommenden Menschen, die zur unmittelbaren Vernichtung bestimmt waren, Panikgefühle zu zersteuen. Der Vortrag schloss mit angedeuteten Überlegungen darüber, wie die Musik selbst offenbar unbeschädigt diesen Gebrauch oder Missbrauch überleben konnte - und mit dem Vorschlag, dass eine Lehre dieser historischen Tatsachen sein könnte, ein Augenmerk auf das unterschätzte gefährliche Potential von Einsatz von Musik - auch heutzutage - zu legen.

Beitrag zur musikalischen Gewalt in den Lagern, veröffentlicht in den Mitteilungen der Alfred Klahr Gesellschaft

Schwierige Auwahl der Musikstücke

Paul Schuberth betonte, dass es schwierig gewesen sei, zu diesem Thema die passende Musik zu finden. Ein Anliegen der beiden Musiker/innen war es, keine "Ablenkung" zu bieten, sondern mit der ausgesuchten Musik das Gesagte reflektierend, analytisch zu unterstützen.

So spielten sie etwa einen Marsch von Hanns Eisler, der als Kanon konzipiert ist; oder das Lied "Nur ein Mädel gibt es auf der Welt" aus der Operette "Viktoria und ihr Husar" von Paul Abraham, Fritz Löhner-Beda und Alfred Grünwald, das in einem der Konzentrationslager zum Übertönen von Leidensschreien benutzt wurde; oder einen Blues von Szymon Laks, dem Dirigenten des Männerorchesters von Auschwitz, wo er als musikalischer Zwangsarbeiter eingesetzt war; und, um auch die widerständige Kraft der Musik zu verdeutlichen, das Lied der slowenischen Partisan:innen "Jutri gremo v napad" ("Tomorrow we'll carry out attack").

Beeindruckender Abend am St. Barbara Friedhof

Sowohl bei den ausgewählten Texten als auch der Musik war der Abend eindrucksvoll. Der lange Applaus am Schluss galt nicht nur der Darbietung, sondern wohl vor allem dem Umstand dieser gelungenen, auf vielfache Art eindrucksvollen Vermittlung der furchtbaren Geschehnisse in KZs - auch in Zusammenhang mit Musik.

Einladung zur Veranstaltung am St. Barbara Friedhof

Fotos: Clemens Frauscher.