Der St. Barbara Friedhof: Vorbild für einen klimafreundlichen Friedhof

Vertreter*innen von Klimabündnis-Pfarren informierten sich in der Naturoase in der Stadt über die Möglichkeiten ökologischer Friedhofsgestaltung.

Klimabündnis-Pfarren am St. Barbara Friedhof unterwegs

„Der St. Barbara Friedhof setzt mit seiner nachhaltigen Ausrichtung ein besonderes Zeichen und stellt bewusst und gewollt Ökologie in den sichtbaren Mittelpunkt“ sagt DI Georg Spiekermann, Berater im Klimabündnis Oberösterreich und Mitglied im Fachausschuss Schöpfungsverantwortung des Pastoralrats der Diözese Linz. Er begründet damit, warum das „Weitblicktreffen“ der Klimabündnis-Pfarren am 10. Juni 2022 am größten katholischen Friedhof in Oberösterreich stattgefunden hat, der obendrein die größte innerstädtische Grünfläche in Linz ist.

Etwa zwanzig Vertreter*innen von Pfarren, die sich besonderes für den Klimaschutz engagieren wollen, informierten sich vor Ort am St. Barbara Friedhof über die naturnahen Gestaltungsmöglichkeiten eines Friedhofs. Sie diskutierten Möglichkeiten der Umsetzung bei ihnen vor Ort am eigenen Pfarr- oder Gemeindefriedhof.

Eingeladen zu diesem Vernetzungstreffen der 53 OÖ. Klimabündnis-Pfarren hatten das Klimabündnis Oberösterreich (DI Georg Spiekermann, Mag. Gerlinde Larndorfer) sowie das Sozialreferat der Diözese Linz (Mag.a Lucia Göbesberger) und der Fachausschuss Schöpfungsverantwortung im Pastoralrat der Diözese Linz, außerdem der Umweltsprecher der Diözese Linz, Univ. Prof. Dr. Michael Rosenberger.

Clemens Frauscher, Verwalter des St. Barbara Friedhofs, und Stefan Oberklammer, Betriebsleiter und Gärtnermeister, zeigten den Interessierten den Friedhof aus Sicht des Klimaschutzes.

Friedhöfe: Eine ökologische, pastorale und spirituelle Aufgabe

„Friedhöfe sind Ort der Trauer, des Erinnern und der Begegnung. Für letzteres ist es wichtig sie einladend zu gestalten. Das kann unter anderem mit Bäumen erreicht werden, die Schatten spenden. Hier ist der St. Barbara Friedhof Vorbild. Durch die Begrünung kann der Friedhof den unterschiedlichen Aspekten gerecht werden, den ökologischen und pastoralen“, sagt Mag.a Lucia Göbesberger, Umweltreferentin der Diözese Linz und Abteilungsleiterin des Sozialreferats.

Univ.-Prof. Dr. Michael Rosenberger, Umweltsprecher der Diözese Linz, betont als Ermutigung den Zusammenhang des Erlebens von intakter Natur und Spiritualität: „Friedhöfe sind, wenn sie naturnah gestaltet werden, Lebensräume zahlreicher Tier- und Pflanzenarten und Hotspots der Biodiversität. Da sie von zahlreichen Menschen aufgesucht werden, sind sie zugleich ein exzellenter Erlebnisraum für diese Vielfalt. Das hat spirituelle Bedeutsamkeit: Der Ort, an dem Menschen, aus Erde gemacht, zur Erde zurückkehren, ist ein Ort des Lebens und der Fülle. Im Laufe des Lebens haben sich die Verstorbenen von anderen Lebewesen genährt, Tieren oder Pflanzen. Jetzt nähren die irdischen Überreste der Verstorbenen ihrerseits andere Lebewesen. Der Mensch fügt sich in den Kreislauf des Lebens ein in der Hoffnung, mit allen Lebewesen zu seinem Schöpfer zurückzukehren (Papst Franziskus, Laudato si 244)“.

Papst Franziskus hat mit seiner Enzyklika Laudato si alle Christ*innen und alle Menschen dieser Erde zu dringendem Handeln und zu einer grundlegenden Veränderung unserer Sicht- und Lebensweisen aufgerufen, um die Schöpfung in den Mittelpunkt unserer Sorge und unserer christlichen Spiritualität zu stellen. „Aufgabe der Pfarrgemeinden ist nun auch, mit ihren Grünflächen und Friedhöfen Vorbild- und Beispielfunktion zu übernehmen und die Menschen einzuladen, mitzumachen“, wissen die Verantwortlichen der Diözese und vom Klimabündnis. Schon 2021 wurde mit dem Umweltpreis der Diözese ein Schwerpunkt zum Thema Friedhof gesetzt.

Schritt für Schritt zu mehr Ökologie am Friedhof

Einen Friedhof einladend und ökologisch zu gestalten, ist nicht immer einfach, verschiedene Interessen sind zu berücksichtigen. DI Georg Spiekermann berichtet aus seiner Arbeit mit Pfarren in ganz Oberösterreich: „Bei der Beratung für die Pfarren erfahre ich immer wieder, dass ein Umdenken in der Gestaltung und in der Pflege der Friedhöfe kaum oder nur ganz langsam möglich ist. Kaum ein anderer Ort ist mit so vielen Gefühlen und Erinnerungen belegt, wie der heimische Friedhof. Eine Umgestaltung wird daher oft als störender Einschnitt empfunden und abgelehnt. Am St. Barbara-Friedhof haben wir erlebt, welche Funktionen und Bedeutungen ein Friedhof haben kann. Kleine Veränderungen und Angebote, wie Trinkbrunnen, Schattenplätze und Sitzgelegenheiten werden aber immer gerne angenommen und können ein langsames Umdenken (und Um-Fühlen) einleiten".

Der Betriebsleiter des St. Barbara Friedhofs, Stefan Oberklammer, berichtet, dass es für klimafreundlichen Aktivitäten wie Blumenwiesen für die Bienen auf brach liegenden Flächen auch Aufklärung der Friedhofsbesucher*innen braucht. Am Anfang gab es Beschwerden, man würde die Flächen nicht schön pflegen. „Aber wenn man das dann erklärt, wird es von den meisten Besucher*innen gut angenommen“, freut sich der Betriebsleiter.

Ein Friedhof darf ruhig auch als Parklandschaft gesehen werden, war man sich beim Klimabündnispfarren-Treffen einig. Bäume, Sträucher, Hecken, natürliche Mauern, Blumenweiden und Wiesenflächen sollten auf den Friedhöfen nicht fehlen. Es sollten Wohlfühl-Oasen sein, in denen man gerne verweilt. Georg Spiekermann konkretisiert: „Ein wichtiges Ziel ist auch die Reduktion der geschotterten Flächen, da sich diese einerseits nur schwer pflegen lassen und viel Arbeit benötigen. Darüber hinaus sind diese Flächen für eine unnötige Überhitzung der Friedhöfe an Sommertagen verantwortlich“.

Der St. Barbara Friedhof: Eine Naturoase mitten in der Stadt

Der St. Barbara Friedhof ist mit seinen 12 Hektar die größte innerstädtische Grünfläche in Linz, eine „grüne Lunge“ und Naturoase in der Stadt. Eine naturnahe Bewirtschaftung, regelmäßige Aufforstung und sanftes Wildtiermanagement verwandeln die Landschaft der Stille zum artenreichen Biotop – einem Ort des Lebens. Mit seinem alten Baumbestand, dessen Wurzeln buchstäblich bis an die Anfänge des St. Barbara Friedhofs im 18. Jahrhundert reichen, beruft sich der Trend zum Naturnahen auf eine gewisse Tradition. Seit 2021 ist der St. Barbara Friedhof, ausgezeichnet von Global 2000, „Nationalpark Garten“.

Die Naturnähe unterstreicht auch die Entscheidung der Verwaltung, eine naturnahe, plastikfreie Grabgestaltung anzuregen. Kerzen sollen echt sein, künstlich-elektrische Beleuchtungen auf den Gräbern ist nur sehr eingeschränkt erlaubt. Wie in der diözesanen Friedhofsordnung vorgesehen, darf nur 1/3 der Grabfläche aus Stein oder Beton bestehen.

Auch für die Energieversorgung hat sich der St. Barbara Friedhof besondere Ziele gesetzt. Angestrebt wird eine Energie-Autarkie, insbesondere aus ökologischen Gründen, aber auch aus dem Gedanken der Dienstleistungs-Sicherheit. Auf dem Gebäude wurden dazu bereit große Photovoltaikflächen errichtet. Energiespeicher sind in Vorbereitung

„Muss ein Baum fallen, wird ein neuer gepflanzt“

Stefan Oberklammer, Betriebsleiter, gelernter Landschaftsgärtner und zertifizierter Baumkontrolleur gab beim Klimabündnis-Pfarren-Treffen Einblicke in seine Arbeit: „Ich schätze, wir haben 60-70 verschiedene Baumarten und insgesamt ungefähr 1.200 Bäume sowie 750 Großsträucher und rund 800 Laufmeter Hecken“.

Der Klimawandel ist auch am St. Barbara Friedhof bemerkbar. Wasser wird immer weniger. „Durch das händische Graben der Gräber sehen wir, wie tief das Wasser in den Boden reicht. Daher lege ich großen Wert darauf, Pflanzen zu setzen, die mit trockeneren Witterungen umgehen können, die an das zukünftige Klima angepasst sind“.

Der Baumbestand wird regelmäßig begutachtet und sorgsam gepflegt. „Muss ein Baum fallen, wird ein neuer gepflanzt“, betont Friedhofsverwalter Clemens Frauscher. „Ich pflanze nur mehr heimische Bäume und Pflanzen. Der richtige Baum am richtigen Standort, gemeinsam mit der richtigen Pflege und Bewässerung funktioniert einfach am besten“, gibt Stefan Oberklammer seine Erfahrungen weiter.

Igel, Bienen und Hasen mitten in Linz

„Wir haben viele Igel. Wir haben vor fünf Jahren mit Igelhaufen angefangen und merken, dass jedes Jahr die Population größer wird“, ist Stefan Oberklammer stolz. Auch gibt es viele Insekten und viele Bienen am Friedhofsgelände. Bienenstöcke der Stadtimkerei „Linzer Biene“ am Friedhofsgelände sind ihr zu Hause. Brach liegende Flächen werden in bunte Blumenwiesen verwandelt – ein Paradies für die Bienen. Mehr Eichkätzchen wünscht sich Stefan Oberklammer noch am St. Barbara Friedhof. Hasen bevölkern die große Grünfläche ohne natürliche Feinde sowieso schon seit vielen Jahrzehnten.

Die beste Kinderstube für Vögel

Der St. Barbara Friedhof beheimatet ungefähr 25 verschiedene heimische Vogelarten. „Für die Vögel haben wir zirka 120 Brutkästen an den Bäumen aufgehängt. Diese werden jedes Jahr im Herbst nach der Brut ausgeräumt und gereinigt, damit sie nachher wieder bewohnt werden können. Dieses Ausputzen ist sehr wichtig, damit keine Krankheiten entstehen. Ich möchte die Brutkästen auch noch weiter ausbauen“, erzählt Stefan Oberklammer von den Bemühungen um einen guten Lebensraum für diese Tiere.

Der Verzicht auf umweltschädigende Unkrautvernichtungsmittel sichert den Bestand zahlreicher Insekten, was wiederum in der Nahrungspyramide positiv auf die Vogelwelt positiv wirkt: Die gefiederten Freunde finden nicht nur Körner oder Samen, sondern auch tierische Nahrung in den Hecken, die Blaumeise etwa ist darauf angewiesen.

Das hat Auswirkungen: Der St. Barbara Friedhof ist ein Paradies für passionierte Vogelbeobachter*innen. Alle gewinnen durch die naturnahe Gestaltung.

Naturnahe Bestattung: Baumurnengräber und Apfelbaum Urnengarten

Der St. Barbara Friedhof bietet eine breite Auswahl an Grabarten – für Urnen- und Sargbestattung. Als „Waldfriedhof“ in Linz bietet er Naturnähe, aber gleichzeitig auch einfache Erreichbarkeit für An- und Zugehörige mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

Baumurnengräber kommen dem Wunsch von An- und Zugehörigen entgegen, ihre Verstorbenen mögen nach der Beisetzung in einem Baum quasi „weiterleben“. Bei einem Baumurnengrab ist ein Baum einer individuellen Grabstelle zugeordnet.

Beim 2020 eröffneten Apfelbaum Urnengarten entwarf der Künstler Arnold Reinthaler einen Kreislauf von Tod und Leben, indem er Apfelbäume als zentrales Gestaltungselement wählte. Um mehrere Baumstämme herum werden Sitzplätze in Form von steinernen Apfelringen installiert: zum Anlehnen, Verweilen oder Trauern unter dem Schatten ausladender Äste. Biologisch abbaubare Urnen sind in der Wiese beigesetzt und nähren die wachsenden Apfelbäume, die wiederum Früchte hervorbringen und neues Leben entstehen lassen. 

Fotos: Clemens Frauscher. Foto Hase: Nik Fleischmann.
Text: Andrea Mayer-Edoloeyi