Großes Interesse am Jüdischen Friedhof und am St. Barbara Friedhof

Am 30. Juni 2023 war es erstmals möglich, den sonst öffentlich nicht zugänglichen jüdischen Friedhof im Rahmen einer Führung zu besichtigen. Mehr als 60 Personen kamen der Einladung des St. Barbara Friedhofs nach.

Die Geschichte des St. Barbara Friedhofs und des jüdischen Friedhofs in Linz ist eng miteinander verbunden. Die Führung gestalteten die austriaguides Maria Samhaber-Mattonet und Elisabeth Kröll und Dejan Bogicevic, Vertreter der Israelitischen Kultusgemeinde.

Der Rundgang präsentierte auch Besonderheiten des St. Barbara Friedhofs, des größten katholischen Friedhofs in Oberösterreich: vom Grab von Adalbert und Amalie Stifter bis zu den Naturschönheiten an diesen Ort der Erinnerung und Ruhe.

Besondere Bedeutung der Friedhöfe im Judentum

Ein jüdischer Friedhof („Beth Olamin“ = „Haus der Ewigkeit“) unterscheidet sich in mehreren Punkten von christlichen Gottesäckern: Es ist nur eine Erdbestattung, keine Verbrennung des Verstorbenen, vorgesehen. Jüdische Gräber dürfen nicht wieder belegt werden. Die Ruhe der Toten zu stören ist schmählich, ihnen gehört die Erde in die sie ge­bettet wurden − auf ewig. Blumenschmuck ist auf einem jüdischen Friedhof nicht üblich.

Friedhofsbesuche sind am wöchentlichen Feiertag Sabbat und an anderen jüdischen Feiertagen nicht vorgesehen. Bei einem Besuch ist zu beachten, dass Männer eine Kopfbedeckung tragen müssen (meist eine Kippa wie in der Synagoge).

Verwobene Geschichte

Schon aus dem Jahr 1497 ist bekannt, dass in Linz sesshafte jüdische Familien vergeblich versuchten einen eigenen Friedhof zu errichten. Tote mussten mit verdeckten Wagen ins südböhmische Rozmberk /Rosenberg gebracht werden, was hohe Kosten für die Familien versachten.

Das Toleranzpatent Josef II. erlaubte Jüd:innen, Gottesdienste abzuhalten. In Linz siedelten sich Jüd:innen an. Die Errichtung eines eigenen Friedhofs scheitere aber am Einspruch der Katholischen Kirche, die warnte Linz „möge sich so fern als möglich von diesem Volke halten, dass Gott gerichtet hat!“.

Erst im Jahr 1862 konnte die jüdische Gemeinde in Linz ein Grundstück in der damaligen Gemeinde Lustenau – nur 200 Meter vom St. Barbara Friedhof entfernt – erwerben, um dort ihre Verstorbenen zu bestatten. Möglich machte das eine kaiserliche Verordnung, die Jüd:innen erlaubte unbewegliche Güten zu erwerben und zu besitzen. Bereits 1863 wurde der erste Verstorbene auf dem neuen jüdischen Friedhof bestattet. In den nächsten Jahrzehnten wurde die letzte Ruhestätte durch Grundzukäufe erweitert.

Nach der Machtübernahme durch das NS-Regime war der jüdische Friedhof unmittelbar von Schließung bedroht. In dieser kritischen Situation bewährte sich das mittlerweile gute Verhältnis zwischen katholischer Kirche und Kultusgemeinde. 1938 wurde dem Barbara-Gottesacker-Fonds das gesamte Grundstück zur Pacht auf 99 Jahre angeboten. Die unbelegten Parzellen sollten teils als Schrebergärten vergeben werden und teils dem Barbara-Friedhof zur Verfügung stehen.  Die Gegenleistung war, den jüdischen Friedhof „zu bewachen, zu betreuen und instand zu halten“. 1945 wurde der Pachtvertrag einvernehmlich wieder gelöst – und so der jüdische Friedhof vor der Zerstörung gerettet. 116 Gräber wurden durch Bombardierung im zweiten Weltkrieg zur Gänze zerstört und sind nicht mehr sichtbar. Durch einen Lageplan ist heute jedoch noch nachvollziehbar, wo welche Personen begraben sind.

Anfang Dezember 2022 wurde der jüdische Friedhof nach einer Generalsanierung feierlich eröffnet. Davor waren Grabsteine gesichert und mit den Gräbern verbunden worden. Es wurden neue Bäume gepflanzt. Ein Teil der dafür aufgewandten Mittel stammt aus dem "Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich" des Bundes.  Die Stadt Linz wird in den nächsten 20 Jahren für die weitere Pflege des denkmalgeschützten jüdischen Friedhofs sorgen.

Gute Nachbarschaft

Der jüdische Friedhof liegt heute innerhalb des Areals des St. Barbara Friedhofs und wird von der Israelitischen Kultusgemeinde selbst verwaltet. Der St. Barbara Friedhof unterstützt die Kultusgemeinde logistisch bei den nur alle paar Jahre stattfindenden Bestattungen.

Weitere Veranstaltungen geplant

Aufgrund des großen Interesses wird der St. Barbara Friedhof versuchen, in Zusammenarbeit mit der Israelitischen Kultusgemeinde weitere Führungstermine anbieten, bei denen sich wieder die Tore des jüdischen Friedhofs öffnen.

Am 9. Oktober 2023 um 18.00 Uhr ist im Rahmen eines Vortrags am St. Barbara Friedhof mit der Präsidentin der Israelitischen Kulturgemeinde Dr. Charlotte Herman Gelegenheit, mehr über das Thema „Der Tod im Judentum“ zu erfahren.

Führungen mit den staatlich geprüften austriaguides bietet der St. Barbara Friedhof schon mehr als ein Jahrzehnt regelmäßig an.

>>> Die nächsten Termine für Führungen.

Fotos: Clemens Frauscher.